Seit mehr als 13 Jah­ren setzt sich die Initia­ti­ve Bun­des­platz für die Wie­der­ge­win­nung der urba­nen Platz­qua­li­tät des Bun­des­plat­zes ein. Warum?

Der Bun­des­platz wur­de vor mehr als 50 Jah­ren bru­tal durch den Tun­nel und vor allem­die Tun­nel­ein­fahr­ten zer­schnit­ten und zer­stört. Der Umbau zur auto­ge­rech­ten Stadt war in der Nach­kriegs­zeit das poli­ti­sche Leit­bild, er war nicht etwa durch das Ver­kehrs­auf­kom­men begrün­det. Kurio­ser­wei­se wur­de zeit­gleich die U 9 ent­lang der Bun­des­al­lee gebaut. Die ambi­tio­nier­ten Pla­nun­gen sahen noch wei­te­re 5 Tun­nel in der Bun­des­al­lee vor. Ende der 70er Jah­re hat die Poli­tik den Irr­weg erkannt und die wei­te­ren Pla­nun­gen auf­ge­ge­ben. Geblie­ben ist jedoch, was bis dahin umge­setzt war: der bis zu zehn­spu­ri­ge Aus­bau der Bun­des­al­lee und u.a. 589 m Ram­pen und Tun­nel am Bun­des­platz. Ein pri­ma Bei­spiel für indu­zier­ten Ver­kehr: Wer Stra­ßen sät, wird Ver­kehr ernten.

Der Bun­des­platz hat die ursprüng­lich mit Bedacht geschaf­fe­ne Auf­ent­halts­qua­li­tät für die Bür­ger ein­ge­büßt; er war als zen­tra­ler Schmuck­platz der „Cars­tenn-Figur“ gedacht, einem streng sym­me­tri­schen Sys­tem aus Stra­ßen und Plät­zen von euro­päi­schem Rang. Die „Ver­kehrs­ma­schi­ne“ Bun­des­platz hat heu­te nur noch den offi­zi­el­len Sta­tus „Stra­ßen­be­gleit­grün“. Lärm, Abga­se, Fein­staub und star­ke Erhit­zung der ver­sie­gel­ten Flä­chen in Fol­ge des Kli­ma­wan­dels laden nicht zum Ver­wei­len ein. Sieht so das Leben in der Stadt der Zukunft aus?

Set­zen wir eine posi­ti­ve Visi­on dage­gen. War­um sind Bar­ce­lo­na, Ams­ter­dam und Kopen­ha­gen so beliebt? Wo hal­ten wir uns ger­ne auf? Der Stadt­pla­ner David Sim erklärt im Tages­spie­gel-Inter­view, das sei­en Städ­te, die klei­ne Geschäf­te haben, schö­ne Plät­ze, wenig Autos und viel Grün. „Städ­te müs­sen mensch­lich sein. Der Charme einer Stadt liegt in den Men­schen, die sich dar­in bewe­gen“. Wer bum­melt schon gern am Bun­des­platz? Wir müs­sen die­se mensch­li­che Dimen­si­on zurück­ge­win­nen. Der Bun­des­platz hat dafür alle Vor­aus­set­zun­gen bewahrt, die Rand­be­bau­ung und die Dimen­sio­nen des Plat­zes sind noch intakt.

Die Wie­der­ge­win­nung der urba­nen Platz­qua­li­tät erfor­dert einen Rück­bau der durch den auto­zen­trier­ten Aus­bau geschaf­fe­nen Nar­ben und die Schlie­ßung des Tun­nels. Im August 2020 hat die Bezirks­ver­ord­ne­ten­ver­samm­lung Char­lot­ten­burg-Wil­mers­dorf mehr­heit­lich für eine Schlie­ßung des Tun­nels gestimmt.

In der Spa­th/­Na­gel-Stu­die aus 2021 wird fest­ge­stellt: „Nach­dem unter Betei­li­gung der Initia­ti­ve Bun­des­platz bereits wesent­li­che Ver­bes­se­run­gen erreicht wur­den, wer­den dies­be­züg­lich jedoch nur noch weni­ge Mög­lich­kei­ten gese­hen“. Im Fazit der Stu­die heißt es „eine städ­te­bau­lich, frei­räum­lich und funk­tio­nal befrie­di­gen­de Lösung lässt sich nur bei einer Schlie­ßung des Tun­nels erreichen“.

Im letz­ten Koali­ti­ons­ver­trag hieß es noch: „Die Koali­ti­on wird den Rück- und Umbau über­di­men­sio­nier­ter Relik­te der auto­zen­trier­ten Stadt wei­ter vor­an­trei­ben, indem für Pro­jek­te wie den Rück­bau der Breitenbachplatzbrücke/Tunnel Schlan­gen­ba­der Stra­ße mit kon­kre­ten Pla­nun­gen begon­nen und wei­te­re Pro­jek­te, wie bei­spiels­wei­se der Umbau des Bun­des­plat­zes iden­ti­fi­ziert und zur Umset­zung gebracht wer­den.“ Das war vor ein­ein­halb Jah­ren und soll­te bis 2026 gelten.

Der nächs­te erfor­der­li­che Schritt wäre eine Mach­bar­keits­un­ter­su­chung, die durch die Ver­kehrs­ver­wal­tung des Senats in Auf­trag gege­ben wer­den müss­te. Ein ent­spre­chen­der Antrag des Bezirks wur­de durch die Senats­ver­kehrs­ver­wal­tung nun abge­lehnt. [1]

Damit wer­den unse­re 13 Jah­re andau­ern­den Bemü­hun­gen mal eben mit einem Feder­strich abgebügelt.

Ins­ge­samt zeigt sich dar­in auch ein Dilem­ma von kurz­fris­ti­ger par­tei­po­li­ti­scher Instru­men­ta­li­sie­rung der Stadt­ent­wick­lungs- und Ver­kehrs­po­li­tik. Dis­kus­si­ons- und Aus­hand­lungs­pro­zes­se sind zeit­auf­wän­dig, not­wen­dig und nicht immer ein­fach. Aber ein­mal gefun­de­ne Kom­pro­mis­se und Beschlüs­se soll­ten nicht immer wie­der in Fra­ge gestellt wer­den. Es braucht einen par­tei­über­grei­fen­den Kon­sens über die Aus­rich­tung der Ber­li­ner Stadt­ent­wick­lung und Ver­kehrs­po­li­tik, der in die Zukunft weist und den Anschluss an vor­bild­li­che Metro­po­len nicht ver­spielt. Mit einem Modell­pro­jekt Bun­des­platz und Bun­des­al­lee könn­te der Anschluss wie­der gelingen.

Geben wir dem Bun­des­platz die mensch­li­chen Dimen­sio­nen zurück. Ber­lin ist für alle da, vor allem für die hier leben­den Men­schen. Das wäre „Das Bes­te für Ber­lin“! [2]

Wir blei­ben dran.


[1] Tages­spie­gel, 29.09 (Auto­tun­nel am Bun­des­platz: Ber­lins Ver­kehrs­se­na­to­rin lehnt Stu­die zu Schlie­ßung ab), Link
[2] So der Titel des aktu­el­len Koali­ti­ons­ver­tra­ges, Link